Modernisierung einer Tandem-Krananlage

Zum Heben gigantischer Lasten bei Revisionsarbeiten 

11.06.2025 Presse

Traglast Traglasterhöhung und Tandembetrieb im Wasser­kraftwerk Jochenstein für das Heben und Transportieren kompletter Rotoren beschleunigt Inspektion und Wartung der Generatoren.

Für die Modernisierung der Krananlage im Wasser­kraftwerk Jochenstein erhielt das CraneKit von STAHL CraneSystems den Zuschlag. Dessen Partner, der Kran- und Anlagenbauer Haslinger, übernahm die vollständige Planung, Fertigung, Montage und Inbetrieb­nahme. Mechanisch und steuerungs­technisch sind die neuen Krane eine absolute Sonderlösung. Nun können Rotoren mit einem Gewicht von 220 t ohne Demontage der Pole ausgehoben werden.

Weit im Deutschland und Österreich haben viele Gemeinsam­keiten, nicht nur hinsichtlich der Sprache und Kultur. Die Länder teilen sich mit der Zugspitze den höchsten Berg Deutschlands, doch auch der kleine Jochenstein verdient aus mehreren Gründen eine Erwähnung. Diese etwa neun Meter hohe Felsen­insel befindet sich auf der deutschen Seite im Oberlauf der Donau. Um sie ranken sich so manche Legenden. Unter anderem heißt es, der Teufel habe durch eine Mauer in der Donau die österreichische Markt­gemeinde Engel­harts­zell überfluten wollen und deshalb einen großen Stein in den Fluss geworfen. Ob diese Geschichte tatsächlich stimmt, muss noch geklärt werden. Fakt ist jedoch, dass sich genau hier ein Lauf­wasser­kraftwerk befindet, das seinen Namen der Felsen­insel Jochenstein verdankt.

Die technischen Anlagen des Wasser­kraf­twerks Jochenstein liegen sowohl in Nieder­bayern (Marktgemeinde Unter­griesbach) als auch in Ober­österreich (Engel­harts­zell). Fußgänger und Radfahrer können seit etwa 1990 auf dem Stauwehr die Donau ganzjährig überqueren. Geplant wurde der Bau des Kraftwerks bereits Anfang der 1950er Jahre unter der Leitung der Donau­kraft­werk Jochenstein AG (DKJ). Die Inbetrieb­nahme der ersten drei Maschinen­sätze erfolgte im Jahr 1955, kurze Zeit später kamen zwei weitere Maschinen­sätze hinzu. Im Jahr 2013 gingen die Anteile des deutschen Strom­konzerns E.ON. an die Verbund AG, Wien (Österreich), die die Anlage seither betreibt.

Das Kraftwerk Jochenstein hat eine Fallhöhe von knapp 10 m und erreicht nach offiziellen Angaben ein mittleres Jahres­arbeits­vermögen von 850 Millionen kWh. Die beweglichen Elemente des Stauwehrs sind nahe dem österreichischen Ufer angeordnet. Die Schiff­schleuse und die Schalt­anlage liegen auf der bayerischen Seite. Das Krafthaus mit den Turbinen befindet sich in der Flussmitte auf der Felseninsel.

Regelmäßige Revisionen der Turbinen und Generatoren
Die fünf Maschinen­sätze verfügen über Kaplan-Turbinen mit Durchmessern von 7,4 m, die alle noch aus den 1950er Jahren stammen. Diese arbeiten mit fünf Drehstrom-Synchron­generatoren zusammen. Die Rotoren in den Generatoren sind zwar nicht unmittelbar dem Fluss­wasser ausgesetzt, dennoch müssen sie in bestimmten zeitlichen Intervallen für Revisions­zwecke (Inspektions- und Wartungs­arbeiten) ausgehoben werden, beispiels­weise um Lager, Wicklungen und andere Komponenten zu prüfen, Unwuchten zu beheben und thermisch beanspruchte Isolierungen auf Beschädigungen und Alterung zu überprüfen. Hinzu kommen Reinigungs­arbeiten, denn zwischen Rotor und Stator können sich Schmutz und Ölreste ansammeln, die entfernt werden müssen, um eine optimale Leistung zu erzielen.

Für das Bewegen von Lasten, speziell beim Ausheben der Rotoren aus den Generatoren und zum Abtransport entlang des Stauwehrs, war bislang eine Krananlage mit einer Tragkraft von 75.000 kg vorhanden – im Tandem­betrieb konnten also 150.000 kg gehoben werden. Da jeder einzelne Rotor aber ein Gewicht von 220 t auf die Waage bringt, mussten für den Aushub jedes Mal alle Pole am Rotor demontiert werden, um das Gewicht zu reduzieren. Das nahm viel Zeit in Anspruch und führte bei der Revision zu hohen Kosten. Deshalb hat die Verbund AG nach einer Lösung zur Traglast­erhöhung der Krananlage gesucht, um den kompletten Rotor ohne Demontage der Pole ausheben zum Zwische­nlager transportieren zu können.

STAHL CraneSystems spielte im Entstehungs­prozess der neuen Anlage und während der gesamten Projektdauer eine entscheidende Rolle. Dessen Partner, die Haslinger Metallbau + Krantechnik in Alderbach, übernahm die vollständige Planung, Fertigung, Montage und realisierte die termin­gerechte Inbetrieb­nahme im Herbst 2024. In der Schweiß­technik spielt die Haslinger Gruppe längst in der obersten Liga. Für den Kranbau bietet das Unternehmen komplette Paket­lösungen aus einer Hand – von der Planung über den Stahlbau bis hin zur Montage. Als zertifizierter Partner kann Haslinger bei allen Aufgabe- oder Frage­stellungen sowie bei der SPS-Programmierung auf das Know-how des STAHL CraneSystems Engineering-Teams zugreifen.

Unveränderte Kranbahn durch lastabhängige Positionierung
Die Herausforderung im Kraftwerk Jochenstein bestand darin, bei gleich­bleibenden Radlasten die Traglast auf 120.000 kg pro Kran zu erhöhen. Zudem sollten die Anfahr­maße, die durch die alte Krananlage vorgegeben waren, eingehalten werden. Außerdem ändert sich beim Fahr­wechsel vom geraden Bahn­bereich in das Bogen­stück die Spann­weite der Kranbahn. Daher hat der Kopfträger, der den Kranträger mit den Laufwerken verbindet, eine Konstruktion mit speziellen Rädern.

In der Mitte der Kranbrücke hat die Laufkatze einen Verfahr­bereich von 5470 mm. Der Bereich wurde exakt so definiert, dass er den Aushub des Rotors ermöglicht. Die Seiltrommel mit einem Durchmesser von 800 mm besteht nun aus Blech anstatt aus dem serien­mäßigen Rundrohr mit 610 mm. Um die Last gleichmäßig zu verteilen, kommen Traversen zum Einsatz. Die Radlasten bleiben durch ein Eingrenzen der Maximal­last auf die Mitte der Kranbrücke unverändert. Hierzu wurde eine spezielle Betriebsart eingerichtet, die per Sicherheits­schaltung eine Fahrt mit 120.000 kg nur in diesem Mitten­bereich erlaubt. Somit konnte die alte Kranbahn ohne aufwändige Änderungen genutzt werden, obwohl der Kran nun deutlich höhere Lasten transportieren kann. Anstatt klassischer Fahr­end­schalter erkennen Sicherheits­drehgeber die Positionen der Hubwerke. Durch diese wurde zusätzlich eine positions­abhängige Überlast­erkennung realisiert, wodurch ein Performance Level PLd erreicht werden konnte.

Nun können Rotoren mit 220 t ohne Demontage der Pole ausgehoben werden. Das spart erheblich Zeit und senkt die Kosten bei der Inspektion und Wartung der fünf Maschinen­sätze. Nach dem Aushub wird der Rotor auf die gegen­über­liegende Donauseite transportiert und dort für den Zeitraum der Revision zwischengelagert. Die Gesamt­kran­bahnlänge vom Krafthaus bis hin zum österreichischen Ufer beträgt etwa 250 m. Der gelegentliche Betrieb im Freien erforderte eine Spezifizierung der Anlage für einen Umgebungs­temperaturbereich von -10 °C bis 40 °C.

Doppelte Last im Tandembetrieb
gIm Tandembetrieb können doppelte Lasten gehoben werden, nun also 240 t – das ist ausreichend für die Rotoren einschließlich ihrer Pole. Der Tandem­betrieb ermöglicht ein effizientes Handling der Rotoren und ihren sicheren Transport aus der Krafthalle und über das Stauwehr. Früher waren für den Tandem­betrieb zwei erfahrene Kranführer erforderlich, die in enger Abstimmung zusammen­arbeiten mussten, um die schweren bzw. sperrigen Lasten sicher und präzise zu navigieren. Heute werden für den Tandem­betrieb zunehmend Funk­steuerungen genutzt, um die Bewegungen der Krane und Katzfahr­werke zu koordinieren, wobei verschiedene Betriebs­arten ausgewählt werden können. Die Funk­fern­steuerung ist im Datenbus des Kranes eingebunden. Beide Krane kommunizieren über ein Industrie-WLAN miteinander und ermöglichen so den Tandembetrieb.

Die Krane verfügen über ein Hilfshubwerk mit einer Tragkraft von 16.000 kg, das ergänzend zum Haupt­hubwerk eingesetzt und gemeinsam mit diesem im Katz-Tandembetrieb gesteuert wird. Das Hilfs­hubwerk dient vor allem dazu, Lasten bei empfindlichen Hebe­vorgängen oder Montage­arbeiten im Doppel­last­betrieb präzise zu bewegen. Es ermöglicht flexibles Arbeiten, spart Zeit und erhöht die Effizienz des gesamten Kransystems. Als sogenannte Bergewinde hat es auch eine Zulassung für den Personen­transport. Der Hilfshub hat zwei Lastmess­systeme: eines für die regulären Lasten und eines für den Betrieb des Arbeitskorbes. Je nach Betriebsart werden die Signale in der Steuerung (SPS) verarbeitet.

Mechanische und programmiertechnische Sonderlösung
Das Hubwerk verfügt über Last- und Drehzahl­sensoren, Endschalter und Aktoren, die (abgesehen vom Drehzahlsensor) alle im Datenbus des Kranes eingebunden sind. Anstelle einer fest verdrahteten Steuerung kommt eine programmierbare Komplett­steuerung KSK-S zum Einsatz. Das System ist modular erweiterbar und es ergeben sich Möglichkeiten zur Teilauto­matisierung. Das Monitoring beim Verfahren des Krans oder des Last­aufnahme­mittels wird verbessert. Fehler­meldungen und Betriebs­zustände werden über eine eigens programmierte Benutzer­schnittstelle (Human Machine Interface) ausgegeben und im Display grafisch dargestellt.

Fazit
Die neue Krananlage im Wasserkraftwerk Jochenstein ist seit Herbst 2024 in Betrieb. Der neue Kran wird nun für viele Schwerlast-Transporte im Wasser­kraftwerk Jochenstein verwendet. Mechanisch und programmier­technisch handelt es sich um eine Sonderlösung, die für die Verbund AG maß­geschneidert wurde. Ein besonderer Vorteil des STAHL CraneKits liegt in seiner Flexibilität, mit der es sich leicht an die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Anwendung anpassen lässt. Der Aushub des gesamten Rotors wurde erstmals Ende November 2024 erfolgreich durchgeführt. Aufgrund der hervorragenden Resultate sind bereits weitere Projekte mit der Verbund AG geplant.

Autoren
Heike Metzger ist Senior Specialist Sales Enablement bei STAHL CraneSystems in Künzelsau in Zusammenarbeit mit Karl Haslinger, Geschäftsführer der Haslinger GmbH Metallbau in Uttigkofen.

Bilder

Tandem-Krananlage im Kraftwerk Jochenstein für große Lasten.
Die Krananlage befördert verschiedene Lasten im Innen- und Außenbereich.
Sonderkonstruktion: 800-mm-Seiltrommel aus Blech anstatt serienmäßigem Rundrohr.
Das Hilfshubwerk für den Katz-Tandembetrieb hat eine Zulassung für den Personentransport.
Steuerungsschrank (rechts) im Bedienfeld zur komfortablen Auswahl der Betriebsarten.
Krafthaus mit fünf Maschinensätzen, die schon seit den 1950er Jahren im Betrieb sind.
Die Generatoren im Krafthaus haben einen Durchmesser von über 7 m.
Aushub des Rotors aus dem Generator ohne Ausbau einzelner Pole.
Weitertransport des Rotors zur österreichischen Seite.
Zwischenlagerung des Rotors während der Revision.