
Krantechnik für LNG-Anlagen
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In LNG-Anlagen werden Krane meist für routinemäßige Wartungen eingesetzt. Doch bei dringenden Arbeiten an LNG-Pumpen oder Kompressoren kommt es darauf an, dass Kran und Hebezeug – auch nach längerer Zeit des Stillstands – sofort einsatzbereit sind und zuverlässig arbeiten. Die Anforderungen an die Krantechnik auf und in LNG-Anlagen unterscheiden sich – je nach Betreiber, Anlagenbauer, länderspezifischer Vorgaben oder den klimatischen Bedingungen vor Ort. Für den ersten LNG-Tank Finnlands musste ein spezieller Wartungskran entwickelt werden, der den extremen Temperaturbedingungen an der finnischen Küste gewachsen ist und auch bei starkem Frost noch funktionsfähig ist. An der chinesischen Küste kämpft man eher mit der Hitze als mit der Kälte, die Herausforderung bei der Auslegung von LNG-Kranen liegen hier jedoch auf konstruktiver Ebene: Für Wartungskrane auf chinesischen LNG-Tanks mussten Hebezeuge mit spezieller Seiltrommel konstruiert werden, um die besonderen Anforderungen für chinesische LNG-Anlagen zu erfüllen.
Seriennahe Sonderanfertigung
So individuell die Anforderungen an LNG-Hebezeuge sind, so groß ist der Wunsch nach sicheren, zuverlässigen Produkten zu einem bezahlbaren Preis. Im LNG-Bereich sind zusätzlich zum Explosionsschutz – je nach Betreiber und Einsatzland – weitere und strengere Bestimmungen einzuhalten, die über die ATEX- oder IECex-Standards hinaus gehen. Der deutsche Krantechnik-Hersteller STAHL CraneSystems hat mit seinen seriennahen Sonderanfertigungen einen Weg eingeschlagen, der genau diesem Bedarf gerecht wird. Als Basis individueller, explosionsgeschützter Seilzüge dienen die Seilzug-Serien SH ex und AS 7 ex. Als modularer Baukasten aufgebaut, lassen sich die Seilzüge in unterschiedlichen Traglastvarianten und Bauformen fertigen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Einzelkomponenten stammen aus eigener Serienproduktion, ihr technischer Aufbau ist durchdacht und ausgereift, die Versorgung mit Ersatzteilen über Jahrzehnte gesichert. Gerade im Bereich von Energieanlagen und Offshore-Lösungen ist die Einsatzdauer schwer abzuschätzen – nicht selten wird die berechnete Nutzungsdauer überschritten und Anlagen sind deutlich länger in Betrieb als geplant. Nur, wenn alle wichtigen Bauteile für Wartungsarbeiten gut zugänglich und Ersatzteile schnell verfügbar sind, ist die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Krananlage langfristig gewährleistet.
Auf Basis der Serienhebezeuge entwickelt die Engineering-Abteilung von STAHL CraneSystems an die jeweiligen Anforderungen angepasste Sonderlösungen – durch Veränderung der Seiltrommel, stärkere Motoren, zusätzliche Einhausungen, Heizungen oder einfach eine widerstandsfähigere Lackierung.
Explosionsgeschützt bei Wind und Wetter
Case Study: Pori, Finnland
Temperaturen von unter –20 °C sind im Hafen von Pori im Winter keine Seltenheit. Hier, an der finnischen Westküste, baut LNG-Lieferant Skangas zur Zeit das erste LNG Terminal Finnlands mit einem Fassungsvermögen von 30.000 Kubikmetern Flüssiggas. Mit dem Bau beauftragt wurde der spanische EPC-Contractor FCC Industrial. Der international aktive Anbieter von Chemie-, Energie- und Industrieanlagen beauftragte STAHL CraneSystems mit der Entwicklung eines kältetauglichen LNG-Krans: Spezieller Kältestahl und beheizte Motoren ermöglichen den Einsatz zwischen –29 °C und +40 °C, bei niedrigeren Temperaturen fährt das Hebezeug in seine überdachte Parkposition und überwintert dort. Um den Explosionsschutz nach ATEX 95 zu gewährleisten, der für Hebezeuge von STAHL CraneSystems bis –20 °C von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Deutschland zertifiziert ist, überwachen Temperaturfühler das Innere der explosionsgeschützten Gehäuse und der Motoren. Heizungen halten den Kran auch bei starkem Frost funktionstüchtig. Erst wenn die Außentemperatur unter –29 °C fällt bzw. die Sensoren im Inneren der Gehäuse Temperaturen unter –20 °C messen, schaltet sich der Kran aus Sicherheitsgründen ab. Dank Sonderlackierung kann auch die feuchte Meeresluft und der starke Salzgehalt dem Kran nichts anhaben. Trotz Explosionsschutz und spezieller klimatischer Anforderungen gelang es STAHL CraneSystems, eine technisch hochwertige und wirtschaftliche Lösung zu entwickeln.
Sonderfall: Nicht alle Bereiche sind explosionsgefährdet
Durch die Ex-Zonen-Einteilung des Betreibers für den Bereich oberhalb des LNG-Tanks war es möglich, einen vergleichsweise einfachen Wartungskran für die LNG-Pumpe zu konstruieren. Gemäß dieser Einteilung befindet sich nicht die gesamte Technik im explosionsgefährdeten Bereich, sodass einige Krankomponenten ohne Explosionsschutz ausgeführt werden durften. Als gefährdet wurde lediglich der Bereich bis zwei Meter über dem Tankdeckel eingestuft. In diesem Bereich befinden sich die Hauptsteuerung, die Kranbedienung und die Stromzuführung – sie wurden nach EC Directive 94/9EG (ATEX 95) für Anwendungen in Zone 2 ausgeführt.
Der Antrieb des Schwenkkrans, die Fahrendschalter und der Hauptstromkasten konnten im sicheren Bereich montiert werden. Sämtliche elektrischen Komponenten des Seilzugs wurden in den Hauptstromkasten integriert, so entfiel der explosionsgeschützte Steuerungskasten in „de“-Kapselung am Seilzug. Zwar brachte diese Lösung einen deutlich größeren Verkabelungsaufwand zwischen Stromkasten und Seilzug mit sich, auf der anderen Seite sparte der Kunde durch die Lösung Kosten. Das geringere Gewicht des Seilzugs wirkte sich auch auf die Konstruktion des Schwenkkranes aus – ein interessanter Aspekt unter den schwierigen klimatischen Bedingungen vor Ort, die eine Ausführung in Kältestahl vorschrieben. Der Schwenkkran vom Typ „Boss Exn 32–16“ (Vetter Krantechnik) hat einen Kranausleger von sechs Metern. Als Seilzug kommt ein modifizierter STAHL-CraneSystems-Seilzug SH 50 ex mit einer Hubhöhe von 46 Metern zum Einsatz. Der „leichte LNG-Schwenkkran“ ist eine Erfindung von STAHL CraneSystems Spanien, der unter bestimmten Voraussetzungen (wie im LNG-Terminal von Pori) eine Alternative zu den klassischen LNG-Hebezeugen darstellen kann. Seit 2005 hat die Tochtergesellschaft vier solcher Krane von Vetter produzieren lassen – neben den zahlreichen kleineren Schwenkkranen, die Vetter jedes Jahr nach Spanien liefert.
Wie „funktioniert“ Explosionsschutz?
Weder Standard- noch Ex-Gerätekästen können verhindern, dass Gas ins Gehäuse eindringt – wobei dies beim druckfesten Kasten aufgrund der Bauweise unwahrscheinlicher ist. Das Gas kann durch eine Zündquelle im Inneren des Kastens entzündet werden – z. B. durch einen Kontaktfunken beim Anziehen von Schützen. Beim Standardkasten würde die Explosion an die Umgebung weitergegeben werden, was die Entzündung des Gasgemischs in der Umgebung zur Folge hätte. Druckfeste Kästen sind so konstruiert, dass über den Gewindespalt oder den Flachspalt am Deckel die Zündung abkühlt bzw. erlischt. So besteht keine Gefahr für die Umgebung. 1926, vor genau 90 Jahren, hat STAHL CraneSystems mit der Entwicklung explosionsgeschützter Krane und Steuerungen begonnen. Seither hat sich technisch viel getan – an der Wirkungsweise und Bedeutung des Explosionsschutzes hat sich jedoch nichts geändert.
Die Ex-Steuerungen von STAHL CraneSystems sind überwiegend in der Zündschutzart „druckfeste Kapselung“ und „Erhöhte Sicherheit“ (Ex de) ausgeführt. Der Unterschied zwischen Standard-Steuerungskästen und Kästen in druckfester Ausführung für Zone 1 besteht in der stabileren und massiveren Ausführung – bewährt haben sich schwere Aluminiumguss- und Stahlgehäuse. Auch das Installationsmaterial wie Leitungen, Verschraubungen und Kabeleinführungen müssen den Normen und Richtlinien entsprechen und entsprechend geprüft und zertifiziert sein. Außerdem verwendet STAHL CraneSystems bei Kunststoffgehäusen eine antistatische Lackierung. Bei den meisten Hebezeugen wird ein zweites, separates Gehäuse als Anschlusskasten montiert, der aus Stahl- oder Edelstahlblech besteht. Beide Gehäuse werden über explosionsgeschützte Aderleitungsdurchführungen verbunden. Mit Spezialhebezeugen und explosionsgeschützter Krantechnik hat sich STAHL CraneSystems als einer der führenden Hersteller international einen Namen gemacht und ist von Europa über Amerika, den arabischen Raum, Australien bis nach China ein gefragter Partner für Krantechnik im Industrie- und LNG-Bereich.
Seiltrommel für Rechenkünstler
Case-Study Shenzhen, China
Ortswechsel: Das neue LNG-Terminal in Shenzhen besteht aus vier 160.000 Kubikmeter fassenden Flüssiggastanks und wurde Ende 2015 in Betrieb genommen. Auf jedem LNG-Tank befindet sich ein Kran, um die Flüssiggaspumpe am Grund des Tanks zu montieren und bei Wartungs- oder Reparaturarbeiten wieder ins Freie zu befördern. Aufgrund der potenziellen Explosionsgefahr durch verdunstendes Gas müssen auf den chinesischen Tanks sämtliche elektrischen Komponenten explosionsgeschützt ausgeführt werden, was auch die eingesetzte Krantechnik betrifft. Rund 12.000 Kilometer südöstlich von Finnland sind die Anforderungen an den Kranbauer andere: Die Spezifikationen für LNG-Seilzüge in chinesischen Anlagen schreiben ein Verhältnis zwischen Seildurchmesser und Seiltrommeldurchmesser (D/d-Verhältnis) vor, das mit einem Standardhebezeug nicht zu realisieren ist. Die Entwickler von STAHL CraneSystems haben deshalb speziell für diese LNG-Seilzüge Seiltrommeln mit größerem Durchmesser entwickelt und diese in den vergangenen Jahren bereits erfolgreich auf den Gas-Tanks von Ningbo LNG und Tianjin LNG eingesetzt.
Das fest mit der LNG-Pumpe verbundene Seil hat einen Durchmesser von 13 mm. Der Trommeldurchmesser des Seilzugs SH 6 beträgt serienmäßig 356 mm. Auf diese Standardtrommel wird von STAHL CraneSystems eine Trommel der größeren Seilzugserie AS 7 aufgeschweißt und so das gute D/d-Verhältnis deutlich erhöht, ohne die Konstruktion des Serienhebezeugs aufwändig zu modifizieren. Gleichzeitig kann durch die Verwendung von Standardtrommel und Standardrahmen die Forderung des Kunden nach einer zusätzlichen Seiltrommelbremse auf Basis des bewährten Baukastensystems der SH-Serie problemlos erfüllt werden. So profitiert auch der chinesische Betreiber trotz umfangreicher Modifikationen von einer ausgereiften, wirtschaftlichen Lösung.
Internationale Teamarbeit zwischen EPC-Contractor und Lieferanten
Nach Ningbo und Tianjin ist Shenzhen LNG bereits das dritte chinesische LNG-Terminal des Anlagenbauers TGE Gas Engineering, für das STAHL CraneSystems die explosionsgeschützte Krantechnik geliefert hat. Die erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden deutschen Firmen hat sich bereits bei zahlreichen weiteren LNG- und Gas-Anlagen in Europa und Asien bezahlt gemacht. Während TGE und STAHL CraneSystems seit Jahrzehnten zusammenarbeiten war es für den spanischen EPC-Contractor FCC Industrial das erste gemeinsame Projekt mit den deutschen Krantechnik-Spezialisten. Auf der Suche nach explosionsgeschützten Hebezeugen stieß er auf die spanische Tochtergesellschaft von STAHL CraneSystems, die FCC Industrial schließlich von ihrer Lösung überzeugen konnte.
Der erfolgreichen Inbetriebnahme des finnischen LNG-Kranes ging intensive Planungs- und Teamarbeit der beteiligten Firmen voraus. Die Produktion des Seilzugs, des Stromkastens und aller Elektronik- und Steuerungssysteme erfolgte im Werk in Deutschland. Die Herstellung des Schwenkkrans mit den dazugehörigen Antrieben sowie die Vormontage mit dem Seilzug übernahm Vetter in seinem Werk in Siegen. Dort erfolgte vor der Auslieferung nach Finnland auch schon ein erster Funktionstest – noch ohne Last. Die Montage auf dem LNG-Tank übernahmen Techniker von der finnischen Firma Erikkila unter Anleitung von STAHL CraneSystems. Die Inbetriebnahme und der Überlasttest wurden vom STAHL-CraneSystems-Werkskundendienst durchgeführt und von der unabhängigen, außenstehenden Firma Inspecta zertifiziert.
Zuverlässig im Zeitplan
Das erste Angebot für den finnischen Schwenkkran wurde im Januar 2015 abgegeben, der Auftrag erfolgte im April. Der Auftragsvergabe gingen Technik-Besprechungen und unzählige Telefonate voraus. Technische Kompetenz, professionelle Beratung und der enge, ständige Kontakt zwischen den beteiligten Firmen führte zum Auftrag und schließlich zum erfolgreichen Abschluss des Projektes. Als Lieferdatum wurde der 3.11.2015 vereinbart. So betrug die Lieferzeit-Vorgabe für den Seilzug und alle elektrischen Komponenten für STAHL CraneSystems fünf Monate. Kranbauer Vetter blieben sechs Monate für die Fertigstellung des gesamten Krans, um den vereinbarten Montagetermin einhalten zu können. Die Produktion der Krantechnik verlief reibungslos, doch durch Verzögerungen beim Bau des Tanks verschob der Kunde die Lieferung auf März 2016. Die Montage erfolgte im Zeitplan, trotz schwieriger Wetterbedingungen – der starke Wind an der Küste machte den Kran-Experten immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Bei Windgeschwindigkeiten von 14 m/s und Böen bis 19 m/s musste der Lasttest um einige Tage verschoben werden, bis der Wind wieder in den als sicher eingestuften Bereich unter 8 m/s gefallen war.
Fazit (Conclusion)
Sowohl Betreiber als auch EPC-Contractoren von LNG-Anlagen sind an langfristig zuverlässigen, sicheren und zugleich wirtschaftlichen Krananlagen interessiert. Wie auch die übrige Technik im explosionsgefährdeten Bereich sind Krane und Hebezeuge im Anlagenbau meist mit aufwändigen, individuell für das jeweilige Projekt und Land entwickelten Sonderlösungen verbunden. Gleichzeitig stellen die Dokumentation und der Nachweis vorgeschriebener Zertifikate eine Hürde dar, die nur wenige Zulieferer im internationalen Wettbewerb zuverlässig meistern können. Durch die große Erfahrung von STAHL CraneSystems konnte der EPC-Contractor FCC Industrial seinem Kunden Skangas einen Spezialkran liefern, der optimal auf den Außeneinsatz auch bei sehr tiefen Temperaturen ausgelegt ist. Auch TGE Gas Engineering setzt seit Jahrzehnten auf die intensive Beratung und die Explosionsschutz-Kompetenz, mit der sich STAHL CraneSystems immer wieder auszeichnet. Durch intelligente Konstruktion war es sowohl in Finnland als auch bei den LNG-Tanks in China möglich, unter Einhaltung aller (Explosionsschutz-)Vorgaben eine zuverlässige und wirtschaftliche Lösung anzubieten.
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