
Ein Coilkran für zwei
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In einer Halle der Firma Kienle+Spiess im schwäbischen Sachsenheim werden Blechrollen von Güterwagen und LKWs abgeladen, gelagert, bearbeitet und wieder auf LKWs verladen. Die bis zu 10 Tonnen schweren Rollen, auch Coils genannt, wurden bislang mithilfe von drei Hallenkranen transportiert. Zwei dieser Krane aus dem Jahre 1966 mussten nun ersetzt werden: Regelmäßige Reparaturen, aufwändige Instandhaltungen und sich häufende Stillstandzeiten verursachten zuletzt Kosten zwischen 20.000 und 30.000 € pro Jahr, was für die Investition in eine neue Krananlage sprach.
Zuvor mussten jedoch mehrere Fragen geklärt werden: Benötigt das Unternehmen überhaupt einen Kran, oder wäre der Coil-Transport auch per Schwerlaststapler möglich? Dagegen sprachen allerdings nicht nur der erhöhte Platzbedarf am Boden sowie der Zeitverlust durch das Rangieren der Stapler. Besonders das steigende Sicherheitsrisiko bei zusätzlichen Bewegungen unterhalb des dritten Kranes, der auch weiterhin zum Be- und Entladen der LKWs benötigt wird, wollte die Geschäftsführung nicht eingehen.
So entschied sich Kienle+Spiess für einen neuen Kran. Die Idee: Eine neue, schnellere Krananlage mit 20 Tonnen Tragfähigkeit soll die reparaturanfälligen 13-t-Krane ersetzen und zusätzlichen Spielraum für zukünftige Kapazitätssteigerungen bieten. Die Konstrukteure des Pleidelsheimer Kranbauers Innokran nahmen die Herausforderung an und entwickelten mit Krankomponenten von STAHL CraneSystems die passende Lösung.
Kienle+Spiess: „Agieren statt reagieren“
Das Unternehmen Kienle+Spiess wurde 1935 in Sachsenheim gegründet. Bereits nach kurzer Zeit entwickelte sich die Firma zum bedeutendsten Anbieter von Stanz- und Druckgussteilen für den Bau von Elektromotoren und Generatoren. Diese starke Marktposition kann Kienle+Spiess bis heute behaupten. Seinem Motto „agieren statt reagieren“ folgend ergriff das Unternehmen die Initiative und beauftragte Innokran mit dem Bau der außergewöhnlichen Kranlösung. Außergewöhnlich in mehrfacher Hinsicht: Die bestehende Kranbahn, eine relativ niedrige Decke und eine inmitten der Halle platzierte 5,30 Meter hohe Stanzmaschine gaben den Konstrukteuren wenig Spielraum, um den großen Zweiträgerlaufkran mit Obergurt-Laufkatze und Kranführerkabine in die Halle einzupassen. Beim Überfahren der Stanzmaschine bleiben nur 10 cm Abstand zur Führerkabine, zu wenig, um den Sicherheitsvorschriften zu genügen. Deshalb sah Innokran für den normalen Betrieb eine Umfahrung dieses Bereichs vor. Nur bei Wartungsarbeiten oder einem Werkzeugwechsel an der Stanzmaschine darf diese Umfahrung vorübergehend vom Kranführer per Schlüsselschalter überbrückt werden.
Die bestehende Kranbahn ist nur für die Radlasten der 13-t-Krane ausgelegt. Um den neuen 20-t-Kran auf der bestehenden Kranbahn nutzen zu können, musste die höhere Last auf mehrere Räder verteilt werden. Die Lösung von Innokran: Der Kran läuft auf vier STAHL-CraneSystems-Krankopfträgern mit insgesamt 8 Rädern. Dadurch sinkt die Last auf dem einzelnen Rad, zusätzlich liegen die äußeren Räder weiter auseinander, wodurch die Kräfte auf der Kranbahn auf eine längere Strecke verteilt werden.
Feinfühlige Steuerung aus der Vogelperspektive
Gesteuert wird der Kran wahlweise aus der Führerkabine oder per Funkfernsteuerung. Die Entscheidung für eine Führerkabine lag für Kienle+Spiess auf der Hand: In der 65 Meter langen Halle müssten die Kranführer lange Wege zu Fuß zurücklegen. Zudem ist das Aufnehmen und Platzieren der schweren Coils aus der Vogelperspektive einfacher. Frequenzumrichter an den Fahrmotoren und am Hebezeug ermöglichen ein ruckfreies Beschleunigen und feinfühlige Hebevorgänge, was das schnelle, präzise Arbeiten erleichtert und zudem den Komfort für die Kranführer in der Führerkabine erhöht.
Ausgereifte Technik für hohe Ansprüche
Ob Segmente für Windgeneratoren, Pakete für Traktionsmotoren oder Ankerbleche für Universalmotoren, das Produktprogramm von Kienle+Spiess deckt alle Anwendungsbereiche von Elektromotoren und Generatoren ab. Die Produkte sind heute gefragter denn je und die Auftragslage für das schwäbische Unternehmen ist gut. Die Produktion der Stanzteile läuft im Zweischichtbetrieb, entsprechend stark wird auch der neue Kran beansprucht. Hochbelastungszeiten sind besonders am Vormittag und am frühen Mittag, wenn die LKWs be- und entladen und die Coils innerhalb der Halle bewegt werden müssen. Die hohe Einstufung des Hebezeugs nach FEM M7/4m (bei 20 t) und M8/5m (bei 16 t Traglast) wird dieser dauerhaften Beanspruchung gerecht. Als Hubwerk platzierte Innokran zwei robuste AS 7-Seilzüge von STAHL CraneSystems in Zwillingsausführung auf der Laufkatze. Der sogenannte AS 7 ZW konnte hier viele seiner Vorteile ausspielen: Seine kompakte Bauform machte sich bei der geringen Deckenhöhe bezahlt, die hohe Hubgeschwindigkeit entsprach dem Wunsch von Kienle+Spiess, mit nur einem Kran die zwei ausrangierten Krane zu ersetzen. Seine gegenläufige Seilführung verhindert die Hakenwanderung und erlaubt es, auch schwere Lasten sehr exakt abzusetzen. Das macht den Umschlag der Blech-Coils schneller und sicherer.
Neben dem Zwillingshubwerk ist die gesamte Kransteuerung mitsamt der Frequenzumrichter auf der Laufkatze montiert – eine Sonderausführung von STAHL CraneSystems, die es Innokran ermöglichte, Hebezeug und Kranelektrik bereits vor der Verbindung mit der Kranbrücke zu testen. Ebenfalls zur Sonderausstattung zählt der Multicontroller SMC von STAHL CraneSystems. Diese Komponente garantiert die kontinuierliche Lasterfassung über einen analogen Lastmesssensor und die Abschaltung der Hubbewegung bei Überlast. Der SMC ermittelt das Lastkollektiv, die Zahl der Betriebsstunden und der Volllastbetriebsstunden, er dokumentiert Motorschaltungen und weitere Nutzungsdaten. Hauptkriterien wie die Anzeige der Generalüberholung sind über Dioden ersichtlich, alle weiteren Daten lassen sich per Notebook auslesen. Eine weitere Funktion ist das integrierte Motormanagement zur Schonung der Anlage: Dazu zählt die Unterdrückung des Tippbetriebs der schnellen Hubgeschwindigkeit, das Anfahren und Bremsen über einen Feinhub, sowie die Überwachung der Kaltleitertemperaturfühler des Hubmotors.
Umbau vom Experten
Für die Demontage der alten Krane bis zur Inbetriebnahme der neuen Anlage veranschlagte Innokran drei Wochen. Hilfreich war neben der Erfahrung der Innokran-Experten der erhöht laufende, dritte Hallenkran, mit dessen Unterstützung die halbierten, alten Kranbrücken auf LKW verladen wurden. Bei einer Spannweite von 34,8 Metern wurde die Installation der zwei neuen Kastenträger zur kniffligen Millimeterarbeit, doch alles verlief nach Plan. Die Anlage ist seit Anfang 2013 permanent im Einsatz, erreicht den veranschlagten Materialumschlag und auch die Kranführer von Kienle+Spiess sind von dem neuen Kran begeistert.
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